Projekte
Laufende Projekte
Elektra Cheliotis: Erlangen als migrantischer Ort, 1945-1968
Michael Herzog: Die Aktivitäten des Staatsministeriums für Sicherheit in Erlangen zwischen 1986 und 1990 unter besonderer Berücksichtigung der Städtepartnerschaft mit Jena“ (Arbeitstitel)
Das geschichtswissenschaftliche Projekt untersucht die Praktiken der Vermögensweitergabe über Erbschaften in Bayern. Es verknüpft dazu quantitative mit qualitativen Methoden. Das erste Ziel des Projekts besteht darin, einen exemplarischen Überblick über Erbpraktiken in Bayern seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu gewinnen. Das zweite Ziel des Projekts ist es, die Bedeutung von Erbschaften für Familien und ihren Umgang damit in intergenerationaler Perspektive zu analysieren. Vermögen wird so als facettenreiche familiale Ressource fassbar und gewährt zugleich Einblicke in grundlegende politische, rechtliche, soziale, ökonomische und kulturelle Transformationsprozesse in und durch Familie.
Das Projekt ist Teil des Bayerischen Forschungsverbunds „Familienleben in Bayern – Empirische Einsichten zu Transformationen, Ressourcen und Aushandlungen (ForFamily)“. In dem auf vier Jahre angelegten Verbundprojekt, das durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert wird, erforschen Wissenschaftler*innen an vier Universitäten (Bamberg, Erlangen-Nürnberg, LMU und TU München) und zwei Hochschulen für angewandte Wissenschaften (Hochschule München und Landshut) sowie zwei außeruniversitären Forschungsinstitutionen (Deutsches Jugendinstitut e.V. und Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg) in Bayern Aspekte des heutigen und vergangenen Familienlebens in sozial- und kulturwissenschaftlicher Perspektive.
Nürnberg und der Süden. Transatlantische Deutungskämpfe um Frieden und Gerechtigkeit
Nürnberg wurde im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weltweit zu einer Chiffre für eine Friedensstrategie, in deren Mittelpunkt die strafrechtliche Aufarbeitung von Gewaltverbrechen stand, die im Zuge von Kriegen begangen worden waren. Dieses Projekt nimmt Bezugnahmen auf Nürnberg aus dem Globalen Süden am Beispiel Argentiniens in den Blick und macht sie zum Ausgangspunkt einer Untersuchung transatlantischer Wechselwirkungen im Zuge von Deutungskämpfen um Friedensstrategien. Auf der einen Seite fragt es danach, wie die Berufung auf Nürnberg die Deutung der zurückliegenden Gewalterfahrung und des Übergangs zur Demokratie in Argentinien veränderte und welche konkreten Handlungsmuster unter Berufung auf das europäische Vorbild vorgeschlagen und umgesetzt wurden. Auf der anderen Seite nimmt es den Wandel in Deutschland in den Blick, wo die Siegerjustiz-Interpretation ab den 1980er Jahren an Überzeugungskraft verlor und die Nürnberger Prozesse zunehmend als ein essenzieller Beitrag zur Befriedung Europas verstanden wurden. Welche Rolle spielten die Debatten Argentiniens in diesem Wandlungsprozess?
Im Buchprojekt „Hilde Thurnwald. Die andere Hälfte eines mobilen Wissenschaftspaares“ vertieft Prof. Dr. Simone Derix ihren aktuellen Forschungsschwerpunkt zu Gender und Intersektionalität in transnationaler Perspektive. Das Publikationsprojekt, das im Fall Term 2023 durch einen Aufenthalt als Senior Fellow für „Migrant Knowledge“ am German Historical Institute, Pacific Regional Office Berkeley gefördert wird, führt gender-, migrations-, wissenschaftsgeschichtliche mit transnationalen
und globalen Perspektiven zusammen.
Abgeschlossene Projekte
Dr. Daniel Stahl: Bedrohliches Geschäft. Waffenhandel und Völkerrecht im Zeitalter der Weltkriege
Das Projekt untersuchte die Bemühungen im Zeitalter der Weltkriege, den Waffenhandel völkerrechtlich zu regulieren. Dabei erprobt es – Impulse der neueren Völkerrechtsgeschichte und Völkerbund-Historiographie aufgreifend – einen neuen Blick auf die Geschichte der Abrüstung. Historiker haben sich bisher auf die Großmächte konzentriert und dabei Abrüstungspolitik als ein friedensstiftendes Instrument der internationalen Beziehungen analysiert. Dass der Waffenhandel in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein wichtiger Bestandteil abrüstungspolitischer Bemühungen war, ist dabei kaum beachtet worden. Über die Thematik des Waffenhandels geraten außereuropäische Regionen, mindermächtige Akteure und somit die globalpolitische Dimension der Abrüstungspolitik in den Blick. Dabei wird deutlich: Abrüstungspolitik zielte nicht nur auf die Herstellung von Frieden zwischen den Großmächten. Die völkerrechtliche Normierung des Waffenhandels war darüber hinaus ein Instrument imperialer Kontrolle; sie war aber auch Teil einer Völkerrechtspolitik nicht-staatlicher und außereuropäischer Akteure, die mithilfe von Waffenhandelskontrollen ihre anti-imperialistische (z.B. Persien und El Salvador) beziehungsweise anti-kapitalistische Agenda (Teile der europäischen Friedensaktivisten, International Labour Organization) vorantrieben. In den Auseinandersetzungen um Abrüstungspolitik ging es also immer auch darum, globale und ökonomische Hierarchien zu festigen beziehungsweise ihnen entgegenzutreten.
Corinna Schattauer: Weibliche Handlungsmacht und Mobilität. Kommerzielle Schönheitskonkurrenzen in Deutschland, 1909 – 1933
Ziel der Dissertation war es, Erkenntnisse darüber zu erlangen, wie Frauen über die Praxis kommerzieller Schönheitskonkurrenzen in Deutschland zwischen 1909 und 1933 ihre Handlungsmöglichkeiten und Mobilitätspotentiale erweiterten und ihre Leben dadurch transnational ausrichteten. Damit leistet die Arbeit einen Beitrag zur Erforschung der transnationalen Verflechtungen Deutschlands im späten Kaiserreich und der Zwischenkriegszeit. Auf der Grundlage von Presseerzeugnissen, Reklame, Unterlagen von Konzernen und kommunalen Behörden sowie künstlerischen Verarbeitungen des Themas untersucht die Dissertation Konkurrenz-, Identitäts- und Konsumpraktiken, grenzüberschreitende Praktiken, Mobilitätspraktiken und Praktiken der Moderne als Teilaspekte des Praxiskomplexes der Schönheitskonkurrenzen. Auf diese Weise wird analysiert, wie soziale und räumliche Mobilität für die Teilnehmerinnen solcher Konkurrenzen verschränkt waren, wie mobile Frauen Vorstellungen von Lokalität, Regionalität und Nationalität prägten und wie sie gesellschaftliche Machtbeziehungen und Ordnungsstrukturen verschieben konnten. Die Arbeit zeigt, dass Frauen im späten Kaiserreich und in der Zwischenkriegszeit einerseits als Ressource für die Konstruktion von Lokalität, Regionalität und Nationalität dienten, diese Zuschreibungen aber auch als Ressource für soziale und transnationale Mobilität nutzten. Auf diese Weise werden Frauen als wichtige Akteurinnen zentraler Prozesse des Untersuchungszeitraums erkennbar: der Kommerzialisierung und Ökonomisierung von Gesellschaft sowie des komplexen Wechselspiels zwischen Nationalisierung und Transnationalisierung.
Gemeinsam mit Prof. Dr. Bettina Brockmeyer (JLU Gießen) und Prof. Dr. Ulrike Lindner (Universität Köln) veranstaltete Prof. Dr. Simone Derix (FAU) im Juli 2023 eine internationale Tagung zum Thema „Restitution – von wem, was, an wen? Konzepte und Vorstellungen von Recht und Eigentum im Hinblick auf Objekte aus Kolonialismus und Nationalsozialismus“. Die Tagung wurde von der Thyssen-Stiftung gefördert.
Im Dezember 2022 veranstaltete Prof. Dr. Simone Derix gemeinsam mit Dr. Martin Lutz (HU Berlin) und Prof. Dr. Julia Schmidt-Funke (Universität Leipzig) einen internationalen Workshop zum Thema „Staying Rich. Familiäre Vermögensbildung und -bewahrung in langer Perspektive“ an der HU Berlin.
Im Sommersemester 2022 veranstaltete Prof. Dr. Simone Derix eine vom Verein Freunde und Förderer der Geschichtswissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg e.V. geförderte Lehrveranstaltung zum Thema „Geschichte als Beruf“. In diesem Rahmen führten Studierende unter anderem Interviews mit studierten Historiker*innen, die außerhalb des schulischen und universitären Lehrbetriebs tätig sind und erschlossen so Berufsperspektiven für Geschichtsstudierende. Die Interviews wurden redaktionell bearbeitet und anschließend zur Nachnutzung durch weitere Studierende hier online zur Verfügung gestellt.
Im Rahmen der Lehrveranstaltung „NS-Medizinverbrechen zwischen Verdrängung und Aufarbeitung. Interdisziplinäres Projektseminar zur „zweiten Geschichte“ des nationalsozialistischen Patientenmords in der Erlanger Heil- und Pflegeanstalt nach 1945″ haben Studierende der medizinischen und der philosophischen Fakultät im Wintersemester 2020/21 einen Podcast zum Umgang mit der Geschichte der NS-Medizinverbrechen in Erlangen nach 1945 entwickelt. Die Lehrveranstaltung schloss an ein Projektseminar aus dem Wintersemester 2019/20 an, in dessen Rahmen ein Audiowalk zur Geschichte der NS-Medizinverbrechen in Erlangen entstanden ist. Die Projektseminare werden von Dr. Susanne Ude-Koeller (Lehrstuhl für Geschichte der Medizin) und Dr. Helen Wagner (Lehrstuhl für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte) gemeinsam abgehalten. Für die Umsetzung des Lehrvorhabens konnte Helen Wagner eine Förderung durch den Innovationsfonds Lehre der FAU einwerben.
„Patientenmord hinter Sandsteinmauern zwischen Abriss und Erinnerung“ – unter diesem Titel hat Helen Wagner (Lehrstuhl für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte) in Kooperation mit Dr. Susanne Ude-Koeller (Lehrstuhl für Geschichte der Medizin) im Wintersemester 2019/20 ein interdisziplinäres Projektseminar durchgeführt, in dessen Rahmen ein Audiowalk zur Geschichte der NS-Medizinverbrechen in Erlangen entstanden ist. Die Teilnehmer*innen des Seminars haben sich ein Semester lang mit der Geschichte der nationalsozialistischen Medizinverbrechen beschäftigt, die an Patient*innen der Erlanger Heil- und Pflegeanstalt und der Universitätskliniken verübt wurden. Für die Umsetzung des Lehrvorhabens konnte Helen Wagner eine Förderung durch den Innovationsfonds Lehre der FAU einwerben. Für das Konzept der Lehrveranstaltung wurde sie mit dem Lehrpreis der Philosophischen Fakultät ausgezeichnet.
Die 1846 als „Kreisirrenanstalt“ gegründete Erlanger Heil- und Pflegeanstalt galt noch in den 1920er Jahren als Musteranstalt der modernen Reformpsychiatrie. In den Jahren 1939 bis 1945 wurde sie „Schau-Platz“ eines bis dato beispiellosen Verbrechens. Über 900 Patient*innen wurden in Tötungsanstalten deportiert und dort ermordet. Eine bislang nicht bekannte Zahl von Patient*innen fiel in der Erlanger Anstalt selbst der „Hungerkost“ zum Opfer. Der Audiowalk soll einen Beitrag dazu leisten, die Erinnerung an die Opfer wach zu halten. Er erzählt die Geschichte des Patientenmordes nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern folgt den Spuren der nationalsozialistischen Medizinverbrechen durch die Stadt. Der Audiowalk ist über die kostenlose App izi.travel verfügbar.
Medienberichte
Das Franken Fernsehen hat über den Audiowalk berichtet. Kurz vor Weihnachten 2020 lief zunächst ein kürzerer Beitrag in der Sendung Guten Abend Franken. Im Januar 2021 wurde dann ein längerer Beitrag ausgestrahlt, diesmal als kurze Reportage. Die evangelische Presseagentur berichtete ebenfalls über den Audiowalk. Ein Hörfunkbeitrag lief im Nürnberger Programm von Radio Charivari, ein weiterer Bericht erschien auf Sonntagsblatt.de.
(c) Jasmin Kluge + Jutta Olschewski, Evang. Funk-Agentur (efa)
Zum März 2020 hat das DFG-Netzwerk „Erbfälle und Eigentumsübertragungen – Erbpraktiken im Spannungsfeld von Staat und Familie seit 1800“ seine Arbeit aufgenommen. Das Netzwerk wird von Prof. Dr. Simone Derix (FAU Erlangen-Nürnberg) und Dr. Jürgen Dinkel (Universität Leipzig) koordiniert. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Netzwerk für drei Jahre. Im März 2023 hat die Abschlusstagung statt gefunden.
Informationen zur Arbeit und Ankündigungen zur öffentlichen Tagung des Netzwerks finden Sie hier.
Vom 01.09.2020 bis zum 31.08.2021 hat die Virtuelle Hochschule Bayern die Entwicklung eines digitalen Lehrangebots zur Geschichte Europas im 19. Jahrhundert gefördert. Die Koordination des Projekts lag bei Prof. Dr. Rainer Liedtke (Universität Regensburg) und wurde in Kooperation mit Prof. Dr. Simone Derix (FAU) umgesetzt. Das Lehrangebot im Umfang von 2 SWS/5 ECTS steht seit dem Wintersemester 2021/22 zur Verfügung.