Geschichte des Lehrstuhls
Die Institutionalisierung einer fränkischen Landesforschung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg konkretisierte sich im Frühjahr 1933. Ein Zusammenhang mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten bestand nicht: Die „Gründungsväter“, allesamt Angehörige der Universität Erlangen, Robert Gradmann (Geograph), Friedrich Maurer (Germanist), Bernhard Schmeidler (Historiker) und Otto Brand (Historiker), hatten seit Jahren einen regen Austausch über ihre Forschungsergebnisse zu Land und Leuten mit dem regionalen Zuschnitt auf Franken. Der Antrag an den Senat eine „Anstalt für fränkische Landesforschung“ ins Leben zu rufen, wurde positiv beschieden. Nach Unterstützung seitens der Universitätsverwaltung und mit Zustimmung des Kultusministeriums, konnte zum 1. April 1933 das neue Institut seine Arbeit aufnehmen, welches das vorher freie interdisziplinäre Zusammenwirken in einen institutionellen Rahmen bettete.
Die konzeptionelle Ausrichtung der Anfangszeit hat mit unterschiedlicher Gewichtung bis heute Bestand:
- Vorträge im Rahmen interdisziplinärer Forschungen
- Forschung zur Geschichte Frankens (Grundlagenforschung)
- Wissenschaftsdiskurs (besonders durch das Jahrbuch für fränkische Landesforschung)
- Verbreitung der Ergebnisse landeshistorischer Forschungen auch in nicht-universitären Kreisen (bereits in der Satzung festgelegte)
Während der NS-Zeit wurden von außen auch politisch motivierte Aufgaben wie beispielsweise die des „braunen Heimatkultes“ herangetragen, welche die Landesforschung nun zu erfüllen hatte. Dem Mediävisten Bernhard Schmeidler gelang es, eine Distanz zum politischen Regime zu wahren. 1936 wurde Erich Freiherr von Guttenberg nach Erlangen berufen, wo er eineinhalb Jahrzehnte das Wirken der landeshistorischen Forschung prägen sollte; als Lehrstuhlinhaber für mittelalterliche Geschichte hatte er einen stark auf das Regionale bezogenen Arbeitsschwerpunkt, der eben sowohl landesgeschichtliche als auch mittelalterliche Forschungsinhalte vereinte. Die 1940er Jahre waren im wissenschaftlichen Sinne durch den Historischen Atlas geprägt, da nun auch die fränkischen Territorien eine historische Aufarbeitung durch diese wichtige Grundlagenforschung erfuhren. Wichtig war dabei immer, dass am konkreten Beispiel das allgemein Bedeutungsvolle diskutiert werden sollte. Eine Leitkategorie, die bis heute Bestand hat.
Nach dem überraschenden Tod Erich von Guttenbergs 1952 folgte der Kölner Heinz Löwe als Vorstand des Instituts für fränkische Landesforschung und wurde somit auch Herausgeber seines Publikationsorgans, des Jahrbuchs für fränkische Landesforschung. 1962 folgte er einem Ruf nach Tübingen.
Anfang 1958 – also knapp 25 Jahre nach der Gründung der „Anstalt für Fränkische Landesforschung“ wurde die Fränkische Landesgeschichte schließlich zur eigenständigen Disziplin. Berufen wurde der Mediävist Karl Hauck, der sowohl unter Historikern als auch unter Germanisten ein hohes Ansehen genoss. Nach seiner Berufung an die Universität Münster zum Wintersemester 1959/1960 übernahm Hubert Rumpel zunächst Haucks Aufgaben. Ab diesem Zeitpunkt wurde das Institut für fränkische Landesforschung mit seinem Publikationsorgan, dem Jahrbuch, an die landeshistorische Professur sowie später an den Lehrstuhl für Bayerischen und Fränkische Landesgeschichte übertragen.
Mit Gerhard Pfeiffer, der ab 1961 zuerst als außerordentlicher, ab 1965 (die Professur wurde nun zum Lehrstuhl erhoben) bis zu seiner Emeritierung 1971 als ordentlicher Professor an der FAU tätig war, gewann die landesgeschichtliche Forschung einen weiteren wichtigen Vertreter, der als Herausgeber und Autor Bekanntheit und Beachtung erlangte, sowie mit seinem Handbuch „Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt“ ein bis heute gültiges Standardwerk schuf. Neue Themen hielten so Einzug, was auch die Lehre wieder bereicherte; neben der Erweiterung des thematischen Spektrums rückte nun auch die gesamte fränkische Geschichte vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert ins Blickfeld der Historiker.
1972 löste Alfred Wendehorst den emeritierten Gerhard Pfeiffer ab. Über ein Jahrzehnt arbeiteten beide in großem wissenschaftlichen Einvernehmen, leisteten wichtige Impulse für die Landesgeschichte. Bis zu seiner Emeritierung 1994 war Alfred Wendehorst auch Herausgeber des Jahrbuchs für fränkische Landesforschung. Mit ihm wurde die landesgeschichtliche Forschung abermals um eine Facette bereichert, da er sich intensiv mit den kirchlichen Strukturen in Franken auseinandersetzte. Alfred Wendehorst leistete wichtige Grundlagenforschung im Bereich der Germania Sacra – hier insbesondere die quellenbasierte Darstellung des Bistums Würzburg.
Mit der Schaffung einer Professur für Neuere Geschichte und Landesgeschichte in den 1970er Jahren, verbunden mit der Berufung von Rudolf Endres, erweiterte die Landesgeschichte ihre thematische Ausrichtung zunehmend auch auf Gebiete der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.
Von 1994 bis zu seinem Ruf nach München an die Ludwig-Maximilians-Universität 1998 war der Mediävist Alois Schmid Lehrstuhlinhaber für Bayerische und Fränkische Landesgeschichte in Erlangen.
Von 2000 bis 2018 bekleidet Wolfgang Wüst den Lehrstuhl für Bayerische und Fränkische Landesgeschichte an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen. Seine Forschungsgebiete reichten von der Rechts- und Verfassungsgeschichte über die Adelsforschung bis hin zur Industriegeschichte. Ein herausragendes Projekt stellte die Edition frühneuzeitlicher Policeyordnungen dar. Auch er folgte der Tradition der mediävistischen Landesforschung, dennoch gibt es eine klare Ausrichtung auf die Frühe Neuzeit und das 19. Jahrhundert.
Seit 2022 ist Gabriel Zeilinger Leiter des Lehrstuhls. Der Schwerpunkt in Forschung und Lehre liegt nunmehr auf der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte Frankens und benachbarter Regionen vom 11.-17.Jahrhundert – mit besonderem Fokus auf der Städtegeschichte.
Die Professur für Neuere Geschichte und Landesgeschichte hatte von 1989 bis zu seinem Ruhestand 2007 Werner K. Blessing inne. Mit seinem Nachfolger Georg Seiderer, der seit 2008 im Amt ist, wurde der Professur die ehemals eigenständige Volkskunde-Professur der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät in Nürnberg – deren Inhaber bis zu seiner Emeritierung Hartmut Heller war – mit angegliedert; daher lautet der Titel heute: Professur für Neuere Bayerische und Fränkische Landesgeschichte und Volkskunde.
Eine ausführliche Darstellung zum Thema: Werner K. Blessing: Die Institutionalisierung des regionalen Blicks – Landesgeschichte Erlangen, in: Helmut Neuhaus (Hg.): Geschichtswissenschaft in Erlangen (=Erlanger Studien zur Geschichte, 6), Erlangen/Jena 2000, S. 135-170.