Reichstadt, Rechtsgeschichte und Romantik: Tagesfahrt nach Rothenburg ob der Tauber
Am 29. April 2023 fuhren 12 Studierende der FAU sowie einige interessierte Externe im Rahmen des Proseminars „Kosmos Stadt: lokal, regional, global“ mit Florian Geidner nach Rothenburg ob der Tauber. Wider Erwarten störungsfrei und pünktlich per Bahn dort angelangt begann man gegen Mittag mit der Besichtigung der Stadtbefestigung. Barbakanen und Heraldik konkurrierten dabei indes manchmal erfolglos mit den Schildkröten in den Wassergräben um die Aufmerksamkeit der Studierenden.
Waren Wehrgängen und Türmen erst einmal über steile Treppen erstiegen, ergab sich ein erster Eindruck vom Charakter einer mittelalterlichen Stadt.
Obwohl Mauern und Häuser es auf den ersten Blick nicht ahnen ließen, war auch Rothenburg Ende des Zweiten Weltkrieges schwer zerstört worden. Nur durch einen Kraftakt von Kommune, Bürgerschaft und Zivilgesellschaft sowie umfangreiche Spenden, gelang es nach 1945, die Stadt in bewusster Anlehnung an ihr früheres Gepräge wiederaufzubauen. In Folge sticht sie heute innerhalb der autogerechten und brutalistischen deutschen Städtelandschaft deutlich hervor und lockt Jahr für Jahr Reisende aus aller Herren Länder an.
Nach einer kurzen Pause auf dem Marktplatz, auf dem bereits die Buden für eine der zahlreichen Festivitäten standen, die Rothenburg über das Jahr beherbergt, ging es zu einem der Besuchermagneten der Stadt, dem Mittelalterlichen Kriminalmuseum. Von einer gebürtigen Texanerin und Wahlrothenburgerin gleichermaßen sachkundig wie sympathisch geführt, erfuhren die Erlanger Bekanntes und Neues über Verbrechen und Strafe in der Vergangenheit. Das Rechtswesen einer Reichsstadt wie Rothenburg wurde dabei ebenso thematisiert, wie Formen der Folter und der Schandstrafen, die sich überall auf dem Gebiet des ehemaligen Heiligen Römischen Reiches finden ließen. Besonders anschaulich war sicherlich das hier wörtlich genommenen Anlegen der Daumenschrauben, wenngleich sich die studentischen „Folterknechtinnen“ wohl deutlich empathischer gegenüber den „Delinquentinnen“ zeigten, als dies vor Jahrhunderten der Fall gewesen wäre.
Neben allerhand schaurigen Torturinstrumenten begegneten der Erlanger Gruppe auch weibliche Henker aus Nürnberg, exkommunizierte Ratten und Schnecken und „Foltermythen“, wie die berühmte „Eiserne Jungfrau“, die letztlich nie in der heute ausgestellten Weise Verwendung fand. Für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer interessant waren auch die präsentierten Schulstrafen, die für ihren eigenen professionellen Lebensweg freilich ohne Relevanz sein dürften, was künftige Schülerinnen und Schüler mutmaßlich nicht bedauern werden. Nachdem sich einige, entgegen der einstmals üblichen Praxis, noch kurz freiwillig an den Pranger stellten, ging es zur Stadtbesichtigung.
Unbeirrt von vereinzeltem Murren ob des Ab- und damit wieder notwendigen Aufstiegs wurde die Gruppe von Herrn Geidner etwas in Taubertal geführt. Hier entschädigte dann ein Blick auf das herrlich auf dem Hügel thronende Rothenburg für die Unbill des Weges.
Beim Flanieren durch die malerischen Gassen ließ sich die Stadtentwicklung Rothenburgs lebendig nachvollziehen. Auf dem Gebiet des neuen Spitals, nach der Besichtigung der unweit gelegenen Kasematten und Kanonen bewährten Bastionen, informierte eine Kommilitonin über die Situation der Reichsstadt im Dreißigjährigen Krieg.
Ähnlich wie Altdorf oder Dinkelsbühl gedenkt Rothenburg dieser Episode in Form eines Festspiels, das auf das fiktionale Ereignis des „Meistertrunks“ anspielt, dem die Stadt ihre Verschonung durch den kurbayerischen Feldherren Tilly angeblich verdankte. Vorbei am stattlichen Rathaus, mit seinem gotischen Baukörper und der prächtigen Renaissancefassade, ging es zum Burggarten und damit zur eigentlichen Keimzelle der heutigen Stadt.
Von hier öffnete sich der Blick ins reben- und obstbaumbestandene Taubertal und auf das Topplerschlösschen.
Das Lustwandeln durch die pittoresken Gassen und damit die Tagesfahrt fanden ihren Abschluss schließlich in einem Traditionslokal am Marktplatz.
(Fotos: F. Geidner, M. Laible, C. Güleryüz)