Habsburgerherrlichkeit und „Welt von Gestern“: Exkursion nach Wien
Vom 7. bis 10. Juli 2022 fuhren 21 Studierende zusammen mit Florian Geidner nach Wien. Während Einige morgens anreisten und Zeit hatten, bereits vor dem offiziellen Beginn der Exkursion Österreichs Hauptstadt zu erkunden, verbrachten andere den Tag geduldig im Stau. Ob mit dem ICE oder dem Fernbus, irgendwann trafen aber alle in Wien ein. Seinen Ausklang fand der Abend des Anreisetages alsdann im Café Einstein. Dort, ebenso wie im Café Bendl, wohin man im Anschluss weiterzog, zeigte sich Wien von seiner studentischen Seite. Die Barbelegschaft sah sich nur okkasionell an das mittlerweile auch in Österreich geltende Rauchverbot gebunden und gab beständig Beispiele der unnachahmlich wienerischen Melange aus Schroffheit und Charme. Nachdem auf den speckigen Sitzgarnituren bis in die Nacht hinein Krudes und Kultiviertes diskutiert worden war, verlangte es Manche noch, einer weiteren Institution des Wiener Nachtlebens ihre Referenz zu erweisen: dem Würstelstand.
Wohlgenährt und wohlerholt traf man sich am nächsten Morgen. Die erste Station des Tages bildete die Votivkirche, deren Bau Erzherzog Maximilian zum Gedenken an ein missglücktes Attentat auf seinen Bruder Kaiser Franz Joseph I. anregte. Gleich neben dem neogotischen Gotteshaus am Schottentor befindet sich das in Neorenaissance gehaltene Hauptgebäude der Universität Wien, das mit seinen raumgreifenden Stiegenhäusern und dem prachtvollen Lesesaal der Hauptbibliothek, der so Manche an Hogwarts erinnerte, beeindruckte. Im Arkadenhof luden die bequemen Sitzmöbel mehr als das windige Wetter zum Verweilen unter den Büsten toter Koryphäen ein. Angesichts der akademischen Aura, die sich deutlich von der grau-spröden Anmut der heimischen Lehrgebäude abhebt, studierten Einige sogleich das Fächerangebot der Alma Mater Rudolphina.
Auf dem „Ring“ ging es weiter. Vorbei am Café Landtmann und dem Rathaus schlenderte man zum Burgtheater. Der Stadtrundgang wurde inhaltlich von den Studierenden selbst gestaltet, die zu ausgewählten Gebäuden referierten, während Herr Geidner ergänzend Ausführungen und Anekdoten zur Wiener Architektur- und Kulturgeschichte beisteuerte.
Am Palais Auersperg ließ sich passend zum Seminarthema „Europäische Adelswelten“ der verblaste Glanz ersehen, der die Aristokratie des alten Österreich umgab. In deutlich besserem Zustand zeigte sich das Museumsquartier (MQ) in den ehemaligen Hofstallungen. Hier fanden im Zuge eines der ambitioniertesten und geglückten Städtebauprojekte der frühen 2000er Jahre zahlreiche Museen, Ateliers, Tanzstudios und Sammlungen mit Kinderbetreuungsangeboten, Bars und Restaurants zusammen. Die wabernden Wogen eines wiesenhaft gestalteten Wasserbetts wiegten die Wienreisenden wohlig. Am liebsten hätten sie ihre Mittagspause auf diesem Kunstprojekt zugebracht.
Einige zog es dann aber doch ins unweit gelegene Café Sperl und damit in eines der authentischsten alten Kaffeehäuser Wiens. Auf dem abgewetzten Plüsch der Sitzecken ließ sich die obligate Sachertorte mit Schlagobers angemessen genießen.
Nachmittags ging es weiter zur Staatsoper, mit deren Bau das Prestigeprojekt der franzisko-josephinischen Ära, die Errichtung der Ringstraße auf den geschleiften Wällen Wiens, seinen Anfang nahm. Beschwingt von einer kurzen Kostprobe der Oper „Don Giovanni“ war man in wenigen Schritten an den Touristenschlangen vor dem Café Sacher vorbei an der Albertina, einer der bedeutendsten Graphiksammlungen der Welt. Gegenüber konnte man einen Blick in ein weiteres Kleinod wagen, das direkt aus der „Welt von Gestern“ überkommen schien, den Herrenschneider Jungmann & Neffen, bei dem bereits die Hautevolee der Donaumonarchie zu unstudentischen Preisen fertigen ließ. Von hier war es nur ein kurzer Weg zur Augustinerkirche, in der nicht nur Franz Joseph seine Cousine Elisabeth ehelichte, sondern auch zahlreiche Habsburgerherzen ihre letzte Ruhestätte fanden. Aus der Stallburg lugten die schwarzgeborenen Lipizzaner hervor. In der Hofburg besichtigte man schließlich die kaiserliche Schatzkammer. Kenntnisreich geführt offenbarte sich die Geschichte, die an den Gemmen, Preziosen und Kuriosa haftete. Der Vorschlag der Erlanger Gruppe, die Reichskleinodien doch wieder nach Nürnberg abzugeben, wo man ja schließlich mit dem Heiltumsschrein noch das passende Behältnis besitze, wurde von Seiten der Führerin nur mit einem charmanten Lächeln goutiert. Einziger Wehmutstropfen des Besuchs war das Fehlen der Reichskrone, die für ein Forschungsprojekt ausgeliehen ist.
Abends stand dann eine weitere Pflichtstation eines Wienbesuchs an: Die Einkehr beim „Heurigen“. So nahm der Tag seinen Ausklang in Ottakring, wo Spezialitäten der Wiener Küche von einem Ober formvollendet und mit viel Wiener Schmäh angepriesen, serviert und den Erlangern genossen wurden.
Samstagmorgens traf man sich am Stefansdom – zumindest ein Großteil; Mancher stand auch noch unter der Dusche.
Vom Wahrzeichen Wiens ging es zur Alten Universität und der danebengelegenen Jesuitenkirche. Wie gewohnt führten die Studierenden die Gruppe kenntnisreich in die Geschichte der einzelnen Bauten ein.
Vorbei an der Barockluftigkeit der Pestsäule am Graben flanierte man zur Kapuzinergruft. In der Begräbnisstätte des Hauses Österreich begegneten die Erlanger der den Wienern nachgesagten Affinität zum Morbiden. Fasziniert und verstört zeigten sich die Studierenden nicht nur vom Hang der Habsburger zur Heirat enger Familienangehöriger, sondern ebenso von der offensichtlichen Verbundenheit so mancher Besucher zu den Verstorbenen, die sich an Hand niedergelegter Schleifen, Andenken, Bilder, Kränze und Blumen erkennen ließ. So fand sich etwa ein Sombrero vor dem in Mexiko erschossenen Kaiser Maximilian oder Monarchistendevotionalien am Grabe Kaiserin Zitas.
Dem Leben deutlich zugewandter ging es auf dem Karlsplatz zu. Während das Gebäude der Secession auf Wiens große Zeit um 1900 verweist, präsentierte sich die Karlskirche im prächtigsten Barock.
Jenseits des Schwarzenbergplatzes lud das Belvedere mit seinen Gartenanlagen zum Lustwandeln ein. Dabei erwachten vor dem imaginären Auge einiger Studentinnen die Adelsfestivitäten des Ancien Régime zum Leben.
Von den Palais des Prinzen Eugen wanderte man gemächlich zurück gen Stadt, wo noch die Geschichten der berühmten Kaffeehäuser Demel, Griensteidl und Central referiert wurden.
Zum Abendessen traf man sich erneut im 16. Bezirk. Hier im „Kent“, das selbst schon eine anerkannte Institution der lokalen Gastronomieszene ist, erwies sich, dass die türkische Küche für Wien, das seit Jahrhunderten von Migrantinnen und Migranten geprägt ist, selbstverständlich ebenso typisch ist, wie Schnitzel und Palatschinken. Nach einem Abstecher ins Café Europa endete der letzte Abend.
Schloss Schönbrunn, wo man sich etwas zerknautscht früher als so Mancher lieb und später als Herr Geidner beabsichtigt hatte, traf, bildete den Abschluss der Fahrt. Durch die akkurat geschnittenen Alleen spazierte man zur Gloriette und zum Palmenhaus. So endete die Exkursion bei Kaiserwetter vor dem Palast der Habsburger.
Wien wusste so sehr zu begeistern, dass einige erwogen, ihren Studienort zu wechseln – was traurig, aber nachvollziehbar wäre.
(Fotos: F. Geidner, B. Küffner, S. Mägerlein)